Louis Klamroth debütiert als ARD-Talkmaster
Mit dem neuen „hart aber fair“-Moderator ist jetzt beinahe jemand aus den 1990ern im deutschen Talk-Olymp vertreten. Eine bessere Debatte über drängende Probleme haben wir dadurch nicht bekommen.
Hart aber Fernsehen

Klingbeil und Spahn waren gekommen, Caren Miosga gratulierte am Ende persönlich in warmen Worten zum gelungenen Einstand. Insofern war er oben angekommen. Der 33-jährige Louis Klamroth hatte Montagabend seinen ersten Auftritt als Moderator der ARD-Talkshow „hart aber fair“, wo er das Urgestein Frank Plasberg ablöste. Aber setzte Klamroth auch bei der Qualität neue Maßstäbe?
Über weite Strecken wirkte es so, als hätte man sich keine grundlegende Erneuerung des Formats vorgenommen. Die 5 Gäste bestanden aus zwei Berufspolitikern (Jens Spahn, Ex-Bundesgesundheitsminister und Bundestags-Fraktionsvize der CDU, sowie Lars Klingbeil, Parteichef der SPD), einer Wirtschaftsexpertin (Prof. Dr. Monika Schnitzer aus dem meist „Wirtschaftsweisen“ genannten „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“), einer Journalistin (Melanie Amann, Mitglied der Chefredaktion beim „Spiegel“) sowie einem Zivilisten (Metallarbeiter und Familienvater Engin Kelik).
Betitelt war die Sendung: „Ein Land wird ärmer: Wer zahlt die Krisenrechnung 2023?“. Dass es aber nicht ernsthaft auf der Agenda steht, dass die Reichen dieses Jahr die Rechnung bezahlen, und es deshalb am Rest hängen bleiben wird, machte die traurige Erwartbarkeit der Debatte aus.
Zwar hatte die Ökonomin Schnitzer die Forderung nach einer zeitlich befristeten Reichensteuer, einem sogenannten Energie-Soli, mitgebracht. Und der als Quoten-Normalbürger geladene Herr Kelik korrigierte sie auf die Frage, ob er so etwas unterstützen würde, erfrischend mit: „Ob ich das gerecht finde? Ich finde, dass das auf Dauer so sein muss.“
Aber dann wurde er auch schon von der Journalistin Amann spektakulär pessimistisch (wenn auch nicht unrealistisch) abgebügelt mit dem Hinweis, das werde aber nicht passieren, Klingbeils eigener Koalitionspartner lasse das nicht zu. Da half auch Klingbeils eher zahme Ankündigung nicht viel, man müsse über Verteilungsfragen in Zukunft diskutieren.
Oppositionspolitiker Jens Spahn brauchte nur zu drohen, man wolle doch nicht in so schwierigen Zeiten den eigenen Standort durch höhere Steuerlast noch mehr gefährden. Und bald schien das Thema für den Abend auch für alle erschöpfend genug behandelt.
Klamroth hätte hier eine der abstoßenden Statistiken über die Ungleichheit in Deutschland zeigen können, oder Spahn eine gezielte Nachfrage über den Zusammenhang von Steuerpolitik, Investitionen in Infrastruktur und Standortvorteilen stellen. Oder Schneider fragen, was von dem Standortargument wirklich zu halten ist. Oder Amann fragen, was genau ihrer Meinung nach in der Öffentlichkeit passieren müsste, damit Steuererhöhungen für reiche Menschen wieder mehrheitsfähig werden. Oder Klingbeil fragen, wie er sich die Verteilungsdebatte vorstellt, wenn die FDP davon jedes Mal tödlich beleidigt ist, und ob man wirklich bis zum nächsten Wahlkampf warten sollte, bis man verbal ein bisschen hochfährt. Oder Kelik fragen, ob er sich mit seinen Kolleginnen und Freunden einig ist, dass die Steuern für Reiche dauerhaft hochmüssen, und was sie dafür tun, dass das passiert.
Er hat stattdessen das Thema gewechselt („Was ist Ihr bestes Gericht mit Hülsenfrüchten und mit wem in der Runde würden Sie es essen?“). Ich fürchte, das ist Ausdruck der Angst, als „ideologisch“ diskreditiert zu werden. Wenn er bei einem gesellschaftlichen Problem, das politisch hoch bedeutsam und umkämpft und gleichzeitig dramatisch simplifiziert und unterdiskutiert ist, eine allzu kritische journalistische Haltung zeigt, nimmt Klamroth der Sendung vielleicht den Spaßfaktor, für den sie bekannt ist. So bleibt es bei erleichtert auflachender Oberflächlichkeit. Sie mussten nichtmal sagen, welche Gewürze sie nehmen würden für ihre Erbsensuppen mit Bockwurst.
Es war Klamroths erste Sendung, vielleicht wollte er sich noch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Aber auch sonst gab es relativ viel „Was macht das mit Ihnen?“ und „Geht es mit den hohen Lebensmittelpreisen allen Leuten so oder ist das nur in Düsseldorf-Benrath der Fall?“.
Man konnte in dieser Sendung zusehen, wie bei einem Talk über Inflation und Lebensmittelpreise eine Mehrwertsteuersenkung für Hülsenfrüchte diskutiert wird und der Moderator selbst fragt, wolle man denn nicht auch für Schweinesteaks, und kein einziges Mal jemand den Zusammenhang mit der Klimakatastrophe und dem Ressourcenverbrauch von Fleisch erwähnt.
Wenn das passiert, steht doch zu sehr der Elefant im Raum, dass der Moderator mit Klimaaktivistin Luisa Neubauer zusammen ist und um jeden Preis den Anschein der Neutralität wahren will, während sie in Lützerath gegen den Kohleabbau protestiert.
So vorsichtig hätte er nicht sein müssen, denn eine klimabewusste und ungleichheitskritische Haltung hat den Vorteil, dass sie gute Argumente hat. Die darf jeder benutzen, dadurch wird man nicht zum Straßenkleber oder Steinewerferverharmloser.
"Hart aber fair"-Studio, © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)